16. SONNTAG im Jahreskreis
Lesungen:
Erste Lesung aus dem Buch der Weisheit (12,13.16-19)
Evangelium: nach Matthäus (13,24-30)
Es gibt Fragen, die schon uralt sind und die Menschen sich immer wieder stellen: Warum gibt es so viel Ungerechtigkeit? Warum geschieht so viel Böses? Warum scheint es Menschen, die auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen, oft besser zu gehen als anderen? Warum greift Gott nicht ein und beseitigt das Schlimme, das auf unserer Welt geschieht? Es ist nicht einfach, auf diese Fragen eine schlichte Antwort zu finden.
Auch Jesus hat keine schnelle Antwort bereit, sondern er erzählt eine Geschichte, ein Gleichnis: „Mit dem Reich Gottes, mit der neuen Welt Gottes ist es, wie....“ Wie geht es also zu in einer Welt, in der Gott sich durchsetzt und Menschen in seinem Sinne handeln?
In unserer Welt gibt es nichts und niemanden, was oder der ausnahmslos gut oder einfach nur schlecht ist. Den Idealzustand finden wir nirgendwo. Wir wollen das, was nicht gut ist, bekämpfen. Doch wir müssen dabei aufpassen, nicht auch das Gute, das Nützliche, das Schöne zu zerstören. Jesus will verhindern, dass wir sofort alles ausmerzen, was uns schlecht und unbrauchbar erscheint und dabei das Kind mit dem Bade ausschütten.
Schauen wir z.B. unsere Kirche an. Was hat sie im Laufe der Jahrhunderte nicht alles falsch gemacht: Hexenprozesse, Scheiterhaufen, Ketzerverbrennungen, Kreuzzüge, Missbrauchsfälle, Finanzskandale sogar bis Rom... Tausende haben sich auch deswegen von der Kirche abgewendet. Doch sie übersehen dabei, wieviel Gutes auch heute noch geschieht, gerade, weil es diese Kirche gibt.
Das gilt auch für einzelne Menschen. Einer hat einen groben Fehltritt gemacht, hat sich schwer schuldig gemacht. Ist er wegen dieser einen schlechten Tat auch ein schlechter Mensch? Ein Kind hat in einem Einkaufzentrum nicht widerstehen können und hat etwas mitgehen lassen. Ist dieses Kind deswegen grundsätzlich schlecht und dürfen wir es als einen Dieb abstempeln? Wie viele Ehen sind schon zerbrochen, weil da ein Partner die Schwächen des anderen nicht ertragen, sondern unbarmherzig ausreißen wollte; wie viel Feindschaft gibt es, weil der Fehltritt eines anderen vorschnell verurteilt wurde.
Gutes und Böses sind nun einmal in unserer Welt und im eigenen Leben miteinander verflochten und wir können das Böse nicht ausrotten, ohne auch Gutes zu zerstören. Leute, die das Böse radikal ausrotten wollen, sind oft politische oder religiöse Fanatiker. Aber solcher Fanatismus bringt nur Terror und Verfolgung, Folter und Krieg, wie wir gerade in dieser Zeit deutlich feststellen können.
Jesus will deutlich machen: Es steht uns Menschen einfach nicht zu, andere zu verurteilen. Ich kann eine einzelne Tat eines Menschen als schlecht verurteilen, nicht aber den ganzen Menschen. Kein Mensch ist nur gut oder nur schlecht. Dieses Urteil sollten wir getrost Gott überlassen. Jesus spricht in diesem Gleichnis von einer unendlichen Geduld Gottes mit uns. Gott zeigt Milde, Nachsicht, Barmherzigkeit. „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." (Mt. 5, 45).
Damit das Gute wachsen kann, muss ich bereit sein, dem Mitmenschen eine neue Chance zu geben, auch wenn er einmal danebengehauen hat. Damit das Gute wachsen kann, muss ich bereit sein, mir selber die eigenen Grenzen einzugestehen. Nicht zuletzt kann das Gute nur wachsen, wenn ich davon ausgehe, dass auch der Mitmensch es gut mit mir meint und ich ihm Vertrauen schenke. Immer, wenn schwarz-weiß gezeichnet wird, droht Unheil. Darum sagt Jesu so nüchtern: „Nein! Sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus.“
Gott hat Geduld mit uns. Ihn sollen wir uns zum Vorbild nehmen. Damit heißen wir das Böse nicht gut und verharmlosen es nicht. Nachsicht üben, mild und barmherzig sein, verlangt viel Mut und innere Stärke. Deswegen heißt es im Buch der Weisheit: "Weil du - Gott - über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht; denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst. Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss.“
Keiner von uns wünscht sich, in irgendeiner Art ein Böser zu sein. Freundlich, hilfsbereit, stets auf das Gute bedacht, so möchten wir leben. Aber bei allem guten Willen - es gelingt nicht. Immer wieder taucht das Unkraut in uns auf: Fehler, Versagen. Wenn ich mir vor Augen halte, wo ich hinter dem zurückbleibe, wer ich bin, dort höre ich auf, andere zu verurteilen.